Reisebericht: Trekking im Zagoria Tal


Trekking Zagoria Tal Südalbanien September 2022
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen
  • 1/10 - Bilder zeigen

Für semiuntrainierte Nordlichter mit abklingender Corona-Plauze klingt der Begriff „Trekking“ in den Bergen erstmal furchtbar anstrengend: Nach Höhenmeterrekorden, nach Leiden, völliger Selbstaufgabe, Sauerstoffschuld und Blutblasenagonie. Und zu den Konditionsanforderungen der längeren und härteren Peaks of the Balkans-Tour wurden mir zuvor gar schreckliche Dinge zugetragen. Die Tourenbeschreibung des Trekkings durch das Zagoria Tals allerdings las sich auf der Frosch Seite als auch für mich durchaus machbar, und da ich unbedingt mal in Albanien wandern wollte, habe ich die Reise trotz leichter Restskepsis, aber voller Vorfreude gebucht. Und, soviel sei verraten, nicht bereut!

Ankunft im Sportclub Paradise:

Griechenland hat es im Laufe der Jahrtausende bekanntlich geschafft, wirklich alle vor den Küsten der angrenzenden Nachbarländer gelegenen Inseln zu vereinnahmen. Und so wundert es nicht, dass An- und Abreise praktischerweise über die Albanien fast auf Steinwurfweite vorgelagerte Insel Korfu erfolgten. Vom Airport Korfu-Stadt dauerte der Transfer in den FROSCH-Sportclub Paradise eine knappe Stunde mit dem Bus.

Für Späteintreffende wie mich gab es ein an der Rezeption hinterlegtes Sandwich, und für eine Nacht ein Zimmer im dem Club gegenüber gelegenen, ruhigen und sauberen Hotel Kapitanos. In der direkt am Strand befindlichen Mango-Bar traf ich dann endlich auf ein Getränk, die bereits anwesenden anderen elf Albanien-Reisenden und unseren Wanderguide Ervin zum Briefing des nächsten Tages.

Überfahrt nach Albanien:

Die Wandergruppe traf sich früh morgens mit allem Gepäck vor dem Hotel - das Frühstück wurde durch ein weiteres Sandwich und einen Apfel substituiert – und mit dem Bus ging es wieder zurück nach Korfu-Stadt. Am Kai des kleinen Hafens wartete ein altes Tragflächenschnellboot sowjetischer Bauart, welches uns in knapp 40 Minuten zum touristisch gut erschlossenen lebhaften Hafenstädtchen Saranda übersetzte, und – schwupps - waren wir plötzlich in Albanien.

Wir lernten unseren wortkarg lächelnden aber zuverlässigen Busfahrer und den 20-sitzigen Mercedes-Kleinbus kennen, der uns die Woche über transportieren sollte. Das Gepäck und wir alle passten sehr bequem hinein, und los ging die Fahrt ins Hinterland.

Start der eigentlichen Reise:

Im Dorf Labova besichtigten wir die prächtige Marienkirche, ein Juwel byzantinischen Kirchenbaus. Und was orthodoxe Kirchen im Allgemeinen auszeichnet ist, dass sie von innen noch prächtiger anzusehen sind. Rote und goldene Malereien, aufwändige Verzierungen und großartige Schnitzereien. Was man lernen konnte: Es heißt nicht Ikonenmalerei, sondern Ikonenschreiberei. Da die Leute damals überwiegend weder lesen noch schreiben konnten, haben die Gemälde durch klare Bildsprache, extrem formalisierten Aufbau und Symbolismus biblische Geschichte und Geschichten nacherzählt auf eine Weise, die die Menschen gut verstehen konnten.

Nach der geistigen folgte die leibliche Erbauung: In einer Taverne wurde für uns albanische Küche aufgefahren. Teller um Teller mit verschiedenen einfachen Speisen wurden vorgesetzt, Salat, Suppe, Gemüse, Börek, gefüllte Teigtaschen, Trauben, Melone, Frittiertes und Süßes. Abschließend gab es natürlich Raki, einen landestypischen Tresterschnaps. Den gibt es übrigens immer und überall. Die Leute brennen den selbst, und fast jede Familie besitzt ein eigenes Rezept und eine eigene Destille.

Gut gesättigt ging es dann auf eine erste einfache Wanderung, über Tierpfade etwa drei Stunden durch Weide- und Buschland in ein weiteres Dorf hinab, wo der Bus wartete, um uns zu einem schönen Hotel mitten in der Altstadt von Gjirokastra zu bringen.

Gjirokastra:

Ein kulturelles Highlight der Reise! Thronend über dem weiten Tal, schmiegt sich die legendäre "Stadt aus Stein", die "Stadt der silbernen Dächer", die "Stadt der 1000 Stufen" an einen steilen Hang. UNESCO-Weltkulturerbe, Geburtsstadt Enver Hodschas, Stadt mit prächtiger, osmanisch geprägter Architektur und mächtiger Feste. Ein Stadtrundgang und Besuch der Burg konnte uns davon überzeugen, warum dieser Ort völlig zurecht ein großer Touristenmagnet ist.

Hinweis für nach dem Frühstück: Morgens um halb neun sind die steilen Gassen noch leer. Später am Tage fallen die Reisebusse von den Kreuzfahrtschiffen ein und entladen ihre menschliche Fracht.

Und ein Literaturtipp:

"Chronik in Stein" von Ismail Kadare, einem potentiellen Literatur-Nobelpreisanwärter. „Das Buch gilt als literarisches Denkmal an seine Heimatstadt Gjirokastra, die ausführlich beschrieben wird mit ihren burgähnlichen Wohnhäusern aus Stein, die am steilen Berghang erbaut sind." (Wikipedia)

„Es war dies wirklich eine sehr seltsame Stadt. Man konnte auf einer Straße gehen und, wenn man wollte, den Arm ein wenig ausstrecken, um seine Mütze über die Spitze eines Minaretts zu stülpen. Vieles war schwer zu glauben, und vieles war wie im Traum.“ – Erstes Kapitel

Am nächsten Vormittag brachte uns unser Busfahrer ins Nachbartal zum Startpunkt vom Trekking.

Trekking im Zagoria Tal:

Ganz anders, grün, wild, touristisch unerschlossen. Fast menschenleer und doch uralte Kulturlandschaft, im Talgrund geprägt von Platanen, Kastanien und Eichenwald, und weiter oben von Buschland und Bergweidewirtschaft. Ein zu schützendes Weltnaturerbe.

Wir wanderten durch eine wunderschöne Naturlandschaft, und während unseres ersten Trekkingtags konnten wir bei einem Einsiedler einkehren, türkischen Kaffee trinken und vom Honig seiner über 100 Bienenstöcke kosten.

Die wenigen und uralten Dörfer, durch die wir gewandert sind, waren überwiegend bewohnt. Aber nur noch von alten Leuten. Bis auf einige Hirten sind die jungen Menschen längst weggezogen, nach Tirana oder ins Ausland. Übernachtet haben wir in privaten Unterkünften, wurden von den Leuten in deren Küchen bewirtet und haben in Wohnräumen der Familien, meist ältere Ehepaare, geschlafen. Alles sehr gastfreundlich, sehr herzlich, sehr einfach.

Die Wanderungen waren abwechslungsreich und alle gut machbar, auch wenn ich mich bei längeren Anstiegen etwas schwer tat und meist einige Minuten nach den anderen am Ziel ankam (Dank an Stefan fürs geduldige Warten). Denn die Dörfer liegen traditionell zwischen 600 bis 900 Metern am Hang. Dafür ging es bergab sehr gut und zügig. Leider hatten wir auf den Touren zwischenzeitlich recht viele Regenstunden, aber immerhin war es nicht so heiß. Einen Tod muss man halt sterben, heißt es ja.

Die letzte Tour, 16 Kilometer hinüber ins Nachbartal. 600 Höhenmeter hinauf, durch Schafherden und an aggressiven Hütehunden vorbei (die können für Wanderer wirklich sehr unangenehm werden, wenn man nicht weiß, wie man sich zu verhalten hat) über den Pass hinüber, und dann 1.200 lichte Meter über schlammige Geröllpfade ins Nachbartal hinab. Das Gepäck hatte uns auf dem Rücken von Packpferden zwischenzeitlich längst überholt. Apropos, Packpferde. Einfache Transporte zwischen den Tälern werden hier immer noch von Pferden, Mulis oder Eseln erledigt.

Unten im Tal die Stadt Përmeti, das lockende Tagesziel und Übernachtungsort. „Die Stadt, die alles hat, außer das Meer." Ein moderner Ort mit lebendiger Historie. Das Hotel hatte einen guten Standard, einen ebenso guten Gin Tonic und einen wunderbaren Blick über den Fluss. Abends gab es einen Dämmerungsspaziergang durch die Altstadt und ein leckeres vier Gänge-Menü in einem netten Straßenrestaurant.

Die Rückreise:

Am kommenden Morgen dann die vierstündige Fahrt zurück Richtung Küste. Mittags besuchten wir Butrint, direkt am Meer gelegen. Eine historische Ausgrabungsstätte, wo sich die Jahrtausende und die Kulturen überlappen. Dieser strategisch wichtige Ort wurde nacheinander von Illyrern, Griechen, Römern, Byzantinern und Venezianern besiedelt, bebaut und bewohnt. Von der Akropolis gibt es einen herrlichen Blick über den natürlichen Kanal von Butrint aufs Mittelmeer, und auf das direkt gegenüber liegende Korfu.

In einem am schönen Sandstrand gelegenen Restaurant nahmen wir noch ein schmackhaftes mediterranes Seafood-Mittagessen ein, bevor der Busfahrer uns und das Gepäck am Hafen rausließ. Bei herrlichstem Wetter nahmen wir die Nachmittagsfähre zurück nach Korfu-Stadt und von dort den Bus zum FROSCH-Sportclub. Das leckere Abendbuffet wurde unseretwegen freundlicherweise noch um eine Viertelstunde länger stehen gelassen, so dass wir alle satt, zufrieden und glücklich bei ein oder zwei guten Getränken den Abend und die Reisewoche ausklingen lassen konnten.

Am nächsten Morgen galt es, sich von allen zu verabschieden und die Heimreise, oder, für die Glücklicheren, die Verlängerungswoche anzutreten.

Die Erkenntnis:

Keine Angst vor Trekkings. Und die schönen stylischen, neuen Wanderstiefel sind superbequem, wunderbar leicht, fast wasserdicht, und für schlammigen und glitschigen Untergrund absolut ungeeignet.

Die Gruppe:

War perfekt! Ein sehr homogener, harmonischer Glücksfall. Jeder hatte Spaß, niemand scherte aus, alle unterstützten sich gegenseitig und es gab keinerlei Diskussionen um Nichtigkeiten, wie in anderen Konstellationen gelegentlich üblich. Alle gemeinsamen Ausgaben gingen aus der Gemeinschaftskasse ab (Danke, Julia, für das Kassenmanagement!) und es interessierte niemanden, wenn jemand mal ein Glas Wein weniger oder mehr getrunken hatte. Vielen lieben Dank an Antje, Christine, Julia, Katharina, Lisa, Mandy, Ricarda, Sandra, Ervin, Kristian, Markus und Stefan dafür, dass wir uns gegenseitig eine so wunderbare Woche bereitet haben!

Der Wanderguide:

…stammt aus Shkodra, heißt Ervin Lani, und ist eigentlich einen ganz eigenen Artikel wert:

Multitalent, studierter Germanist, coole Socke, Erklärer von historischen, kulturellen und theologischen Zusammenhängen, Erläuterer byzantinischer Kirchenkunst und Ikonenschreiberei, Übersetzer Deutscher Lyrik ins Albanische, Versteher von aggressiven Hütehunden, Rezitierer von Hölderlin, Goethe, Rilke, Heine, Novalis und Eichendorff, Kaffeetrinker und Raucher von Selbstgedrehten, Stadtführer, Entertainer, Freestyler und Wandersänger mit einem Repertoire irgendwo zwischen albanischem Volksliedgut, Bob Marley, Grönemeyer und Element of Crime.

Jeden Tag gab es neue Gedichtrezitationen, und einmal, in einer dunklen, leeren Kirche im Irgendwo, den a capella-Vortrag eines alten Roma-Liedes und einen albanischen Klagegesang aus der italienischen Diaspora.

Das zurecht am häufigsten gewünschte und rezitierte Gedicht war "Der Panther (im Jardin des Plantes, Paris)“ von Rilke:

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein."

(Rainer Maria Rilke, 1902/03)

"Check it out"

(Ervin Lani, 2022)

„Genau! Check it out, Südalbanien und das Zagoria-Tal. Es lohnt sich!“

(Thorsten Michalak, 2022)

Alle Reiseberichte zum Reiseziel "Trekking im Zagoria Tal"

Schickt uns eure Urlaubserinnerungen

Wir veröffentlichen Eure Reiseberichte an dieser Stelle. Für Eure Mühe belohnen wir Euch mit einem Reisegutschein In Höhe von 75,- EUR. Sendet uns eine kurze E-Mail zu welchem Urlaubsziel Ihr schreiben möchtet und wir setzen uns umgehend mit Euch In Verbindung, um die Details zu klären.

Jetzt schreiben